Tag8-1 / 31. Okt – Medizinfrauen & Heiltraditionen: Interview Zusammenfassung mit Avi Esther

Tag 8 – Amanita Online Kongress 2025: Avi Esther – Die Fliegenpilz-Lehrerin, die Bäume und die alte Welt

(Interview auf Englisch, Zusammenfassung auf Deutsch)

Datum: 31. Oktober 2025 | Kategorie: Medizinfrauen & Heilweisheit unterschiedlicher Traditionen (inkl. Sámi)

Bevor Avi Esther über Amanita spricht, spricht sie mit der Erde. Sie begrüßt das Land, auf dem sie lebt (New Forest National Park, UK), würdigt unsere Ahnen – die des Blutes und die des Bodens – und erinnert: Unser inneres Myzel ist mit dem äußeren verwoben. Dann lädt sie ein, Sitzbeinhöcker zu spüren, Atem fließen zu lassen, Körper und Bewusstsein in Verbindung zu bringen. So beginnt eine Stimme, die weit zurückreicht: in keltisch/angelsächsische, semitisch/christliche und auch Maya-Überlieferungen – und zugleich radikal gegenwärtig ist.

„Finde deine Pilz-Lehrerin“ – ein Ruf, der durch Bäume kam

2018, an einer Lebensschwelle, zieht Avi in den New Forest. Sie meditiert unter uralten Bäumen, landet zwischen Aufbruch und Verlust. Am dritten Tag fällt ihr ein „Download“ zu – groß, berauschend. Am nächsten Tag: Stille. Schmerzhaft lang. Und dann, wenige Minuten vor dem Gehen, sagen die Bäume: „Finde deinen Mushroom Teacher.“ Noch am selben Tag hört sie hinter sich ihren Namen – niemand ist da, außer… Amanita muscaria am Weg. Schauer durch den Körper. Am nächsten Morgen führen ein Reh und ihr Sohn in einer stillen Spiegelbewegung zu 17 großen Fly Agarics auf einem keltischen Ringwall. Avi nimmt sieben Hüte – und beginnt zu hören.

Beziehungsarbeit statt „How-to“ – Körper, Herz, Geist

Sie trocknet; sie setzt eine Tinktur an; sie schläft drei Monate lang „mit“ Amanita – auf dem Altar am Bett. Ihre erste Regel: nibble & listen – kleine Schritte, Mikrodosen, und mehr auf Körper und Herz hören als auf fertige Rezepte. Zur Wintersonnenwende wagt sie eine erste Reise (Tinktur, dazu geraucht mit Tabak/Kanabis). Es ist tief – konfrontierend und gehalten zugleich. Erst später erkennt sie: Dieser Auftakt leitete ihr Heilungsthema der inneren Vaterwunde ein – bis hin zu realer Versöhnung im Leben.

Lehrpfad: von Mikro zu 40 g – geführt, nicht getrieben

Vier, fünf Jahre lang arbeitet Avi nur für sich – Microdosing (vor allem Winter, Depression), kleine Reisen, dann 10/15/20 g. Zwei Jahre bleibt sie bei ~20 g; später, in Wales, ruft Amanita sie zur heroischen Dosis (40 g getrocknet). Avi verhandelt („30?“) – die Antwort bleibt 40. Sie bereitet einen Brew vor, nie solo: immer in Partner­schaft mit Pflanzen (Hawthorn für Herz, Pine für Klarheit; Auswahl je Intention), weil „Amanita Zusammenarbeit liebt“. Die Reise bringt sie in radikale emotionale Neutralität – Präsenz, Handlungskraft, geerdete Weite. Danach: nur noch gehen, gehen, gehen – in Flussfälle, über Steine, in die Landschaft hinein. Seitdem begleitet sie andere – vorsichtig, von Micro bis ~5 g, und bildet zwei Lehrlinge aus (Jahreszyklen, klare Ethik, kein Abkürzen).

Mythos-Archäologie: Weltbaum, Blitz & der „alte Mann/alte Frau“

Avis Forschung verwebt Mykologie mit Mythologie:

• Partnerschaften: Amanita fruktifiziert mit Birke, Eiche, Kiefer, teils Stechpalme, Ginster – „Lehrer-Bäume“ im Ogham (keltisches Baum-Alphabet) mit Jahreskreis, Heilwissen und Gottheiten.
• Weltbaum/Fäden: Quer durch Kulturen (keltisch, nordisch/protogermanisch, sibirisch, sámisch, bis Mesoamerika) führen Fäden zur Weltesche / World Tree, zu Schicksalswesen, Göttern, Tierbegleitern. „Der Goldfaden verbindet Geschichten, die älter sind als Schrift.“
• Blitz & Donner: Elektrische Stürme stimulieren Myzel → reiches Fruchten. Entsprechungen in Götterkulten (Himmelsfeuer, Unterwelten, Flussgöttinnen).
• Androgynie: In Überlieferungen taucht Amanita als alter Mann und alte Frau auf – Avi vermutet (als Theorie): „Fleisch des tiefen Vater-Erdes und der kosmischen Flussgöttin“ – später überlagert von Sky-Father/Earth-Mother.

So erklärt sich die archetypische Präsenz des Fliegenpilzes – und die Mischung aus Ehrfurcht und Angst, die ihn begleitet.

Sicherheit & Psychophysiologie – klare Worte, leises Zuhören

Avi differenziert scharf zwischen Tryptaminen (5-HT-Achse) und Amanita (GABA/acetylcholin/muskarinische Wege). Sie benennt Solanaceae (Bilsenkraut, Stechapfel, Tollkirsche, Alraune) als neurochemisch verwandt (und riskant!) – Atropin/Belladonna kann im Notfall muskarinische Überlastung abmildern (starker Speichelfluss, Muskelzucken, Atemprobleme) – aber nicht als „Spielzeug“, sondern als medizinisches Antidot in kundiger Hand. Ihre eigentliche „Pharmakologie“ bleibt: Hinhören. Ein Beispiel: Jemand riecht (!) die Tinktur und das linke Augenlid zuckt – chemisch unmöglich, symbolisch aufschlussreich: „Was will dein Körper sagen? Links – was bedeutet das für dich?“

Psychose & Ego – Muster erkennen, Mitte halten

Bei Tryptaminen beobachtet sie das bekannte Muster: Ekstase → Missionierung → „Ich bin Jesus“ → Crash. Bei Amanita anders: Sie kann das Ego stützen – besonders, wenn vorher unerkannte Angst/Depression angetippt wird. Es pendelt: Größenrausch ↔ Scham/ Wertlosigkeit. Heilung bedeutet, beide Illusionen zu durchschauen und den Atem der Mitte zu finden – mit Zuhören, Erdung, teils pflanzlichen Co-Regulatoren (Rhodiola, ggf. Belladonna; auch Achse Hypophyse–Amygdala–Hypothalamus beachten). Ihr Rat zur Integration klingt einfach – und ist anspruchsvoll: Setz dich zu einem Baum. Einen Mondzyklus lang. Hör zu.

Facilitation – Ethik, Dosis, Beziehung

• Beziehung vor Rezept: Amanita ist Lehrerin, nicht Produkt. Erst zuhören, dann dosieren.
• Dosissteuerung: Von Micro bis ~5 g; heroische Dosen nur nach langer Vorbereitung, im Jahreskreis, mit Pflanzen-Partnern, klaren Rahmen, erfahrenen Sittern.
• Mutualität: Geben & Nehmen im Gleichgewicht – auch ökonomisch.
• Respekt der Kapazität: Viele suchen Schmerzlinderung/Stabilität und bleiben bewusst bei 3–5 g – „Amanita akzeptiert das, solange es achtsam bleibt.“
• „Amanita tut, was Amanita will“ – und prüft Stärke liebevoll, aber unbestechlich.

Essenz – die leise Prüfung

Avis Botschaft ist keine Pille: Hör zu. Mit dem Körper zuerst, dem Herzen, dann dem Geist. Binde Amanita in Beziehungen ein – zu Bäumen, Kräutern, Jahreszeiten, Gottheiten, Menschen. Ehre die Grenzen deiner Seele. Und wenn du doch wackelst, geh in den Wald, setz dich – so lange, bis der Baum in dir Antwort gibt.

Weiterführende Links

amanita-congress.de

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